Page 54 - Spielinfo 2 2024
P. 54
D i g i t a l
Wie Firmen mit unserem
31B
Spieltrieb Kasse machen
Migros und Coop machen im Kleinen, was Firmen weltweit noch
viel raffinierter betreiben: Mit spielerischen Elementen heizen sie
ihre Verkäufe an. Doch die Gamifizierung hat eine dunkle Seite.
Text: ARMIN MÜLLER & EDITH HOLLENSTEIN
Die Schweiz steckt im Sammelfieber. An den Super-
marktkassen von Migros und Coop heisst es jetzt und in
den nächsten Wochen: «Sammeln Sie Stickers?» Wie sich
zeigt, läuft vor allem die Playmobil-Mania der Migros auf
Hochtouren.
Es sind nicht nur Kinder, die in der Nachbarschaft und bei
ihren Grosseltern nach Stickers fragen. Im Internet ist in
den letzten Tagen ein lebendiger Zweitmarkt entstanden.
Das vollständige sechsteilige Playmobil-Set wurde auf
dem Onlinemarktplatz Ricardo für bis zu 500 Franken ver-
kauft. Sogar die Kleberli werden auf Ricardo und Tutti
verkauft – zu vergleichsweise stolzen Preisen: Für ein vol-
les Sammelheft mit 20 Stickern bietet jemand 35 Franken,
für zwei Hefte 58 Franken.
Die Migros hat die Sammelpromotion raffiniert eingefä-
delt: Die fünf limitierten Sets können nur ersammelt und
nicht gekauft werden. Einige Kundinnen und Kunden je-
doch wollen nicht so viel einkaufen oder so lange warten.
Sie bezahlen lieber für die Stickers, die sie beim Einkauf wie Duolingo soll Spass machen, indem man Punkte,
kostenlos erhalten würden. Spielgeld oder digitale Edelsteine gewinnt und neue Le-
Glücksräder, Quiz und digitales Golfspiel vels freischalten kann.
124B
Die Sammelaktionen der Grossverteiler sind Beispiele für Auch in der traditionell analogen Welt halten digitale
Spielelemente Einzug: Der Autoimporteur Amag feiert
die sogenannte Gamifizierung. Das heisst, es werden in das 50-Jahr-Jubiläum des VW Golf mit einem «unterhalt-
nicht-spielbezogenen Kontexten Spielelemente verwen- samen digitalen Golf-Spiel». Die Pensionskassen-Sam-
det. Es gibt sie schon seit Jahren. Mit der Verbreitung des melstiftung Profond versucht, mit einem Onlinequiz Pen-
Smartphones als wichtigstes Interaktionsmittel jedoch hat sionskassenthemen einer jüngeren Generation näherzu-
die Gamifizierung ein neues Level erreicht. bringen.
Man klickt auf einen Link einer Shopping-Seite, und bevor Die Schweizer Finanz-App Yuh animiert zur häufigen
man irgendwelche Produkte sieht, erscheint ein Glücksrad. Nutzung mit der eigenen Kryptowährung Swissqoin. Sie
Mit einem weiteren Klick setzt man es in Bewegung – und funktioniert als Treueprogramm ähnlich wie die Cumulus-
gewinnt prompt einen 100-Franken-Gutschein. So lockt oder Supercard-Punkte.
der chinesische Onlinehändler Temu erfolgreich neue
Kundinnen und Kunden an. Grosses Manipulationspotenzial
125B
Das Glücksrad ist ein typisches Beispiel für Gamifizie- Auch in Personalabteilungen von Firmen auf der ganzen
rung. Andere Anbieter setzen auf Punkte, Abzeichen, Bes- Welt werden spielerische Mechaniken eingesetzt, um Mit-
tenlisten und vieles mehr. Unternehmen nutzen diese Ele- arbeitende zu rekrutieren, einzuarbeiten und zu schulen.
mente, um die Kundschaft zu binden, den Umsatz zu stei- Bewerbungsprozesse beinhalten gamifizierte Elemente für
gern und Mitarbeitende zu motivieren. Persönlichkeitstests. Der US-Detailhändler Walmart ver-
Bekannt ist das Prinzip aus den Fitness-Apps. Fitbit oder wendet ein Computerspiel, um sicherzustellen, dass seine
Strava animieren die Nutzerinnen und Nutzer zum Dran- Mitarbeitenden die Sicherheitsrichtlinien kennen.
bleiben mit virtuellen Abzeichen für das Erreichen von Der Markt wächst rasant. Der weltweite Gesamtumsatz,
Meilensteinen, Bestenlisten und dem Vergleich von Ab- der aus Produkten und Dienstleistungen im Zusammen-
schnittszeiten für Laufstrecken. Sprachen lernen mit Apps hang mit Gamifizierung generiert wird, hat sich gemäss
54
Wie Firmen mit unserem
31B
Spieltrieb Kasse machen
Migros und Coop machen im Kleinen, was Firmen weltweit noch
viel raffinierter betreiben: Mit spielerischen Elementen heizen sie
ihre Verkäufe an. Doch die Gamifizierung hat eine dunkle Seite.
Text: ARMIN MÜLLER & EDITH HOLLENSTEIN
Die Schweiz steckt im Sammelfieber. An den Super-
marktkassen von Migros und Coop heisst es jetzt und in
den nächsten Wochen: «Sammeln Sie Stickers?» Wie sich
zeigt, läuft vor allem die Playmobil-Mania der Migros auf
Hochtouren.
Es sind nicht nur Kinder, die in der Nachbarschaft und bei
ihren Grosseltern nach Stickers fragen. Im Internet ist in
den letzten Tagen ein lebendiger Zweitmarkt entstanden.
Das vollständige sechsteilige Playmobil-Set wurde auf
dem Onlinemarktplatz Ricardo für bis zu 500 Franken ver-
kauft. Sogar die Kleberli werden auf Ricardo und Tutti
verkauft – zu vergleichsweise stolzen Preisen: Für ein vol-
les Sammelheft mit 20 Stickern bietet jemand 35 Franken,
für zwei Hefte 58 Franken.
Die Migros hat die Sammelpromotion raffiniert eingefä-
delt: Die fünf limitierten Sets können nur ersammelt und
nicht gekauft werden. Einige Kundinnen und Kunden je-
doch wollen nicht so viel einkaufen oder so lange warten.
Sie bezahlen lieber für die Stickers, die sie beim Einkauf wie Duolingo soll Spass machen, indem man Punkte,
kostenlos erhalten würden. Spielgeld oder digitale Edelsteine gewinnt und neue Le-
Glücksräder, Quiz und digitales Golfspiel vels freischalten kann.
124B
Die Sammelaktionen der Grossverteiler sind Beispiele für Auch in der traditionell analogen Welt halten digitale
Spielelemente Einzug: Der Autoimporteur Amag feiert
die sogenannte Gamifizierung. Das heisst, es werden in das 50-Jahr-Jubiläum des VW Golf mit einem «unterhalt-
nicht-spielbezogenen Kontexten Spielelemente verwen- samen digitalen Golf-Spiel». Die Pensionskassen-Sam-
det. Es gibt sie schon seit Jahren. Mit der Verbreitung des melstiftung Profond versucht, mit einem Onlinequiz Pen-
Smartphones als wichtigstes Interaktionsmittel jedoch hat sionskassenthemen einer jüngeren Generation näherzu-
die Gamifizierung ein neues Level erreicht. bringen.
Man klickt auf einen Link einer Shopping-Seite, und bevor Die Schweizer Finanz-App Yuh animiert zur häufigen
man irgendwelche Produkte sieht, erscheint ein Glücksrad. Nutzung mit der eigenen Kryptowährung Swissqoin. Sie
Mit einem weiteren Klick setzt man es in Bewegung – und funktioniert als Treueprogramm ähnlich wie die Cumulus-
gewinnt prompt einen 100-Franken-Gutschein. So lockt oder Supercard-Punkte.
der chinesische Onlinehändler Temu erfolgreich neue
Kundinnen und Kunden an. Grosses Manipulationspotenzial
125B
Das Glücksrad ist ein typisches Beispiel für Gamifizie- Auch in Personalabteilungen von Firmen auf der ganzen
rung. Andere Anbieter setzen auf Punkte, Abzeichen, Bes- Welt werden spielerische Mechaniken eingesetzt, um Mit-
tenlisten und vieles mehr. Unternehmen nutzen diese Ele- arbeitende zu rekrutieren, einzuarbeiten und zu schulen.
mente, um die Kundschaft zu binden, den Umsatz zu stei- Bewerbungsprozesse beinhalten gamifizierte Elemente für
gern und Mitarbeitende zu motivieren. Persönlichkeitstests. Der US-Detailhändler Walmart ver-
Bekannt ist das Prinzip aus den Fitness-Apps. Fitbit oder wendet ein Computerspiel, um sicherzustellen, dass seine
Strava animieren die Nutzerinnen und Nutzer zum Dran- Mitarbeitenden die Sicherheitsrichtlinien kennen.
bleiben mit virtuellen Abzeichen für das Erreichen von Der Markt wächst rasant. Der weltweite Gesamtumsatz,
Meilensteinen, Bestenlisten und dem Vergleich von Ab- der aus Produkten und Dienstleistungen im Zusammen-
schnittszeiten für Laufstrecken. Sprachen lernen mit Apps hang mit Gamifizierung generiert wird, hat sich gemäss
54