Page 31 - Spielinfo 1 2004
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S c h w e r p u n k t


Pieter Brueghel in Wien (16. Jahrhundert) mit 91 Kinder-
spielen allein diese ganze Gruppe immaterieller Spiele re-
präsentieren. Doch noch besser ist es, die Besucher zu er-
mutigen, die spielerische Erfahrung selbst zu machen.
Aus diesem Grund haben wir für das 20-jährige Jubiläum
des Schweizer Spielmuseums im Jahr 2007 einen «Spiel-
parcours» in den Grünflächen des Schlosses von La Tour-
de-Peilz konzipiert und realisiert. Dieser Parcours bestand
aus acht Stationen, die jeweils mit einem Pfosten als Infor-
mationsträger (von uns «Totem» getauft) markiert waren.
Dabei arbeiteten wir mit Nicolas Koenig, einem Grafiker
mit langjähriger Erfahrung mit Beschriftungs- und Orien-
tierungssystemen, und der Zeichnerin Hélène Becquelin,
beide aus Vevey, zusammen. Wir wollten die Daueraus- 8 Spiele, rund ums «Château». Bild: Musée Suisse du Jeu
stellung durch diese Gruppe immaterieller Spiele ergän-
zen, die Schlossgärten einbeziehen, um dem Museum la souris»). Zu diesen Spielen fügten wir eine römische
mehr Aussenwirkung zu verleihen, und die Öffentlichkeit Kugelbahn aus Marmor – nach einem erhaltenen Exemplar
sensibilisieren, da diese Spiele durch den Lebensstil des auf dem Forum in Rom – hinzu. Leider überlebte sie den
21. Jahrhunderts zunehmend bedroht sind, insbesondere in Vandalismus nur zwölf Jahre. An ihrer Stelle befindet sich
einem städtischen Kontext. nun das Kreisspiel «Der Plumpsack» («Lueged nöd ume,
Die «Totems» bestehen aus einem Metallpfosten, der von dä Fuchs gaht ume»), das wegen der archäologischen Aus-
einer Pétanque-Kugel gekrönt wird (letztere wurden, was grabungen des alten Wohnturms und der Installation einer
wir nicht erwartet hatten, schnell zur beliebten Diebes- Bar an seinen ursprünglichen Standort verlegt werden
beute), an dem ein dreiseitiges, drehbares Element befes- musste. Im Frühjahr 2024 wurde diese Spielstation durch
tigt ist. Auf einer Seite befindet sich der Plan des Parcours den Einsturz der Terrassenmauer leider zerstört und begra-
mit allen eingezeichneten Stationen, auf der zweiten Seite ben, es ist noch ungewiss, ob sie ersetzt wird.
die Spielbeschreibung in Französisch und auf der dritten Etwas weniger bekannt ist «Bauer und Wolf», dessen
Seite die deutsche und englische Version. Hélène Becque- Thema uns aktuell genug erschien, um es in den Parcours
lins Zeichnungen veranschaulichen diese Spielregeln und aufzunehmen. Und last but not least wählten wir ein öster-
den Ablauf des Spiels. reichisches Spiel, das in der Steiermark bekannt ist:
Wir haben uns für acht Spiele entschieden, von denen viele «Ruam ausziagn», d.h. «Rüben ausziehen». Abgesehen
in der Schweiz und anderswo recht bekannt sind: «Tem- davon, dass dieses Spiel uns daran erinnert, dass viele der
pelhupfen» (auch «Himmel und Hölle», «La marelle»), traditionellen Spiele im Freien das Leben auf dem Land
«Der Plumpsack» («Le mouchoir»), «Ringlein, du musst beschreiben – ein Grund für ihr stetiges Verschwinden –
wandern» (auch «Steinle gä», «La bague d’or»), «Ochs am ist es auch besonders lustig: Ein Kind spielt den Bauern,
Berg» («1-2-3-soleil») und «Katz und Maus» («Le chat et ein anderes die Schubkarre, während die anderen Teilneh-
mer die Rüben darstellen. Zu Beginn hocken sich die Rü-
ben auf den Boden, um sich klein zu machen. Der Bauer
kommt mit seiner Schubkarre und muss testen, ob die Rü-
ben schon reif sind – klar, dass sein Kneten und Kitzeln
ein Schlüsselelement in diesem Spiel sind. Beim zweiten
Mal sind die Rüben schon etwas gewachsen, aber erst
wenn der Bauer zum dritten Mal vorbeikommt, beschliesst
er, die Rüben zu ernten. Dazu muss er ein Kind nach dem
anderen nehmen und auf seine Schubkarre legen. Natür-
lich kann die Schubkarre das Gewicht nicht tragen, und so
endet das Spiel mit einem grossen Haufen Kinder.
Einige Jahre später erweiterten wir den Spielparcours an-
lässlich der Neugestaltung des Place Anciens Fossés im
Stadtzentrum. Diesmal einfach durch ein Schild im Stil der
«Totems» mit Beschreibungen von Wurfspielen: In der
Nähe der Supermärkte kann man sich nun damit vergnü-
gen, Münzen gegen die Wand zu werfen (am Eingang zur
Tiefgarage) oder «Franc du carreau» zu spielen. 


Informationen
Mehr Infos auf der Homepage
des Museums (französisch)
www.museedujeu.ch
Katz und Maus – an bester Lage. Foto: Ulrich Schädler
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