Page 45 - Spielinfo 1 2004
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D i g i t a l




«Suck my cock»: Online-



Gamerinnen kämpfen


mit Sexismus





Fast die Hälfte aller Gamer sind eigentlich Gamerinnen. Videospiele sind
also keine Männerdomäne, trotzdem ist die Szene sexistisch geprägt.
Wir haben mit drei Gamerinnen gesprochen.



Text: Daniel Bodenmann

Dass eine Frau beim Online-Gaming sexis-
tisch beschimpft wird, scheint fast mehr
die Regel als die Ausnahme zu sein. Bei
Shooter-Games sowie bei Wettkämpfen
zielen männliche Gamer leider des Öfteren
verbal unter die Gürtellinie. «Suck my
cock» und dergleichen kommen nicht sel-
ten über das Headset bei Frau an.

Auch altertümlicher Sexismus scheint in der Gamingszene
noch nicht ausgedient zu haben: Beleidigungen wie «Geh
zurück in die Küche, wo du hingehörst» hat auch Rahel
Bryner, eine Hobby-Gamerin aus Biel, schon zu hören be-
kommen. Obwohl fast die Hälfte aller Gamer und Game-
rinnen weiblich sind, ist der Sexismus in der Szene nach
wie vor ein grosses Problem.
Die 30-jährige Uhrmacherin und angehende Kinderbetreu- scheint typisch zu sein. Denn eine Untersuchung von Un-
done Games und Unity meint, dass sich fast 30 Prozent
erin lässt sich das Gamen aber nicht vermiesen. Ihr Mann aller Frauen schuldig fühlen, wenn sie sich Zeit nehmen
und sie haben eine Gruppe von Freunden und Freundin- für Videogames.
nen, mit denen sie allabendlich rund zwei Stunden spielen.
Am Wochenende können es auch mal sechs Stunden pro Viele bezeichnen sich aus Scham nicht als «Gamerin» –
Tag werden. oder reden überhaupt nicht über ihr Hobby. Zudem sei
«Ich freue mich, wenn ich einen anstrengenden Tag hatte auch das Alter ein Thema bei ihr, meint Bryner: «Ich bin
30-jährig – und je älter man wird, desto aussergewöhnli-
und mich dann mit meinen Leuten beim Gamen treffen cher scheint es zu sein, wenn man eine Gamerin ist.»
kann. Es ist auch meine Psychohygiene», sagt Bryner.
«Overwatch» ist ihr Lieblingsgame. Ein Multiplayer-
Gamerinnen fühlen sich schuldig Shooter-Game, bei dem man in einem Team gegen ein an-
Ein wenig muss sich Rahel Bryner rechtfertigen. Sie ma- deres Team kämpft. Genau das, was landläufig als Baller-
Game bezeichnet wird.
che noch viel Sport, sitze nicht nur zu Hause herum. Das
Frauen wird gerne anderes zugeschrieben als das Spielen
von Shooter-Games wie «Overwatch». So eher die «ge-
Toxische Online-Kultur mütlichen» Spiele, bei denen man zum Beispiel ein Puzzle
Es gab schon in den 70er-Jahren wenig erstaunliche Studien, dass macht oder einen Garten bepflanzt.
Frauen in Games nicht optimal vertreten und repräsentiert sind. So ganz kann Frau die gängigen Rollenmuster auch im
50 Jahre später steht in der Bryter Studie, dass die toxische Spiel nicht umgehen. Rahel Bryner spielt in «Overwatch»
Online-Kultur in den letzten Jahren zugenommen hat. 72 Prozent mit der Figur «Mercy», einer Blondine mit grossen Brüs-
der Gamerinnen haben 2022 rapportiert, sexistisch angefeindet ten und schlanker Figur. Mercy ist ein Schutzengel, der die
worden zu sein.


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