Page 49 - Spielinfo 1 2004
P. 49
D i g i t a l
Franken oder Euro – statt, sondern in der virtuellen Wäh- die Spieler mit den höchsten Ausgaben CHF 1’800 aus.
rung des Spiels, die einen anderen Wert hat. Auf diese Art Die Spieler, die Lootboxen kaufen, geben im Schnitt mehr
und Weise sorgen die Anbieter dafür, dass die Spieler das als doppelt so viel Geld im Spiel aus wie andere Spieler
Gefühl dafür verlieren, wie viel Geld sie tatsächlich aus- (338 Franken gegenüber 140 Franken). Knapp 19% der
geben. Spieler, die Lootboxen kaufen, gaben an, oft oder manch-
So verbirgt sich hinter den Mikrotransaktionen nicht nur mal mehr Geld auszugeben als sie es eigentlich vermögen,
eine Form des Online-Kaufs, sondern auch ein veritables und 7,8% haben wegen Videospielen finanzielle Prob-
«Geschäftsmodell». Die integrierten Käufe in diesen Free- leme. Das sind fast vier Mal resp. zweieinhalbmal so viele
to-Play-Videospielen, die kostenlos heruntergeladen und wie bei Spielern, die keine Lootboxen kaufen.
gespielt werden können, wurden nach und nach zu einem
Geschäftsmodell, das die Branche mittlerweile beherrscht. Praktische Ratschläge für die Soziale Arbeit
2020 hat die Videospielindustrie einen weltweiten Umsatz Videospiele haben sich zum wichtigsten Medium der glo-
von über 139 Milliarden Dollar erzielt, wobei 78 % der balen Kulturindustrie entwickelt: Sie sind ein Ort der So-
1
Einnahmen auf die integrierten Käufe dieser Free-to- zialisierung, eine beliebte Freizeitbeschäftigung und die-
Play-Spiele zurückzuführen sind. Mikrotransaktionen sind nen dazu, die Skills von morgen zu erwerben. Für die
also extrem lukrativ, was die Gaming-Industrie natürlich Fachleute der Sozialen Arbeit bietet das Gamen die Gele-
längst erkannt hat. Entsprechend sind In-Game-Käufe aus genheit, eine Bindung zu den Jugendlichen aufzubauen
Videospielen nicht mehr wegzudenken. und mit ihnen darüber zu sprechen, was sie spielen, wie
viel Geld sie ausgeben und welche Gründe es dafür gibt –
Gamblification – die zunehmende Vermischung ohne dass dabei eine Moralpredigt mitschwingt. Für die
von Videospielen und Glücks- und Geldspielen Jugendlichen ist es dabei vor allem wichtig, kritisches
Daneben integriert die Gaming-Industrie auch immer häu- Denken zu entwickeln und zu erkennen, wann eine
figer Mechanismen aus der Glücksspielbranche, um ihre Mikrotransaktion einem Vergnügen entspricht, für das
Gewinne zu optimieren. Dies geschieht beispielsweise man bereit ist, Geld auszugeben, oder wann die Spielme-
durch die Implementierung von Glücksspielsequenzen in chanismen überhandnehmen und sie manipuliert werden.
die Handlung (z. B. durch die Einführung eines Casinos, Verständlich veranschaulicht ist dies auf der Website
in dem man seine Währung einsetzen kann, obwohl dies www.duspielst.ch, wo man drei Videos mit Erklärungen zu
nicht das Thema des Spiels ist), durch die Schaffung von den Lootboxen, ihrer Suchtgefahr und dem Handlungsbe-
Plattformen, auf denen man seine Spielwährung oder Ob- darf findet.
jekte einsetzen kann (Skin Gambling) oder mit Lootboxen, Nachdruck des Artikels aus der Februar-Ausgabe 2024 von SozialAktuell, dem
die ähnlich funktionieren wie eine Lotterie. Wie Studien schweizerischen Berufsverband für Sozialarbeit und mit freundicher
zeigen, besteht eine signifikante Korrelation zwischen Genehmigung der Autorin Camille Robert (Co-Geschäftsleiterin GREA
dem Kauf von Lootboxen und der Wahrscheinlichkeit, in «Groupement Romand d’études des addictions», www.grea.ch)
2
eine Glücksspielabhängigkeit zu geraten . Indem die An-
bieter auf die gleichen Mechanismen setzen wie bei den Informationen
Geldspielen, bringen sie ihre Kunden dazu, Geld auszuge-
ben. Es werden also die gleichen Belohnungsmechanis- Lootboxen: Wir reden Klartext!
Kurze Erklärung: «Was sind Lootboxen»
men angesprochen, die zu einer Abhängigkeit führen.
Schlimmer noch: Lootboxen sind (scheinbar) zufällig, d.h. www.youtube.com/...
es wird angenommen, dass ihr Inhalt zufällig ist; Studien Interview mit Niels Weber
legen jedoch auch nahe, dass dies nicht der Fall ist und die auf Hyperkonnektivität spezialisierter Psychologe
Anbieter in Wirklichkeit die Spielhistorie von Personen (französisch 44’35)
auswerten und durch Algorithmen ihre Gewinnwahr-
scheinlichkeit beeinflussen. Zusammengefasst bedeutet www.youtube.com/...
das also: Je eher ein Spieler dazu geneigt ist, Geld auszu- Interview mit Gabriel Thorens
geben, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er stv. leitender Arzt Hôpitaux Universitaires
seltene und wertvolle Gegenstände erhält . Genève (französisch 3’13)
3
www.youtube.com/...
Mikrotransaktionen und Verschuldung
In der Schweiz geben 80% der Jugendlichen zwischen 12 Fussnoten
und 19 Jahren an, zumindest manchmal zu gamen . Wäh- 1. SuperData (2021). 2020 Year in Review. Digital Games and Interactive Media.
4
rend die grosse Mehrheit der gamenden Jugendlichen (und 2. Spicer, S. T. et al (2022). «Loot boxes and problem gambling: Investigating the
Erwachsenen) dies ohne Probleme tun, können «gateway hypothesis›», Addict Behav (131).
Mikrotransaktionen für die Schwächsten mit einem finan- 3. King, D. L. et al (2019). «Unfair play? Video games as exploitative monetized
services: An examination of game patents from a consumer protection
ziellen Risiko verbunden sein. GREA und Sucht Schweiz perspective», Comput. Hum. Behav. (101), S. 131–143.
haben eine Studie zum Videospielverhalten in der 4. Külling, C. et al. (2022). James – Jugend, Aktivitäten und Medien – Erhebung
5
Schweiz realisiert und sind dabei auf grosse Unterscheide Schweiz Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
bei den Ausgaben der verschiedenen Spieler *innen gestos- 5. Notari L., Vorlet J., Kuendig H., (2023). Free-to-Play Videospiele: eine Mischung
sen: Während die durchschnittlichen Ausgaben für Free- aus Videospielen und Glücks- und Geldspielen. Lausanne: Sucht Schweiz &
to-Play-Videospiele bei CHF 175 pro Jahr liegen, geben GREA.
49
Franken oder Euro – statt, sondern in der virtuellen Wäh- die Spieler mit den höchsten Ausgaben CHF 1’800 aus.
rung des Spiels, die einen anderen Wert hat. Auf diese Art Die Spieler, die Lootboxen kaufen, geben im Schnitt mehr
und Weise sorgen die Anbieter dafür, dass die Spieler das als doppelt so viel Geld im Spiel aus wie andere Spieler
Gefühl dafür verlieren, wie viel Geld sie tatsächlich aus- (338 Franken gegenüber 140 Franken). Knapp 19% der
geben. Spieler, die Lootboxen kaufen, gaben an, oft oder manch-
So verbirgt sich hinter den Mikrotransaktionen nicht nur mal mehr Geld auszugeben als sie es eigentlich vermögen,
eine Form des Online-Kaufs, sondern auch ein veritables und 7,8% haben wegen Videospielen finanzielle Prob-
«Geschäftsmodell». Die integrierten Käufe in diesen Free- leme. Das sind fast vier Mal resp. zweieinhalbmal so viele
to-Play-Videospielen, die kostenlos heruntergeladen und wie bei Spielern, die keine Lootboxen kaufen.
gespielt werden können, wurden nach und nach zu einem
Geschäftsmodell, das die Branche mittlerweile beherrscht. Praktische Ratschläge für die Soziale Arbeit
2020 hat die Videospielindustrie einen weltweiten Umsatz Videospiele haben sich zum wichtigsten Medium der glo-
von über 139 Milliarden Dollar erzielt, wobei 78 % der balen Kulturindustrie entwickelt: Sie sind ein Ort der So-
1
Einnahmen auf die integrierten Käufe dieser Free-to- zialisierung, eine beliebte Freizeitbeschäftigung und die-
Play-Spiele zurückzuführen sind. Mikrotransaktionen sind nen dazu, die Skills von morgen zu erwerben. Für die
also extrem lukrativ, was die Gaming-Industrie natürlich Fachleute der Sozialen Arbeit bietet das Gamen die Gele-
längst erkannt hat. Entsprechend sind In-Game-Käufe aus genheit, eine Bindung zu den Jugendlichen aufzubauen
Videospielen nicht mehr wegzudenken. und mit ihnen darüber zu sprechen, was sie spielen, wie
viel Geld sie ausgeben und welche Gründe es dafür gibt –
Gamblification – die zunehmende Vermischung ohne dass dabei eine Moralpredigt mitschwingt. Für die
von Videospielen und Glücks- und Geldspielen Jugendlichen ist es dabei vor allem wichtig, kritisches
Daneben integriert die Gaming-Industrie auch immer häu- Denken zu entwickeln und zu erkennen, wann eine
figer Mechanismen aus der Glücksspielbranche, um ihre Mikrotransaktion einem Vergnügen entspricht, für das
Gewinne zu optimieren. Dies geschieht beispielsweise man bereit ist, Geld auszugeben, oder wann die Spielme-
durch die Implementierung von Glücksspielsequenzen in chanismen überhandnehmen und sie manipuliert werden.
die Handlung (z. B. durch die Einführung eines Casinos, Verständlich veranschaulicht ist dies auf der Website
in dem man seine Währung einsetzen kann, obwohl dies www.duspielst.ch, wo man drei Videos mit Erklärungen zu
nicht das Thema des Spiels ist), durch die Schaffung von den Lootboxen, ihrer Suchtgefahr und dem Handlungsbe-
Plattformen, auf denen man seine Spielwährung oder Ob- darf findet.
jekte einsetzen kann (Skin Gambling) oder mit Lootboxen, Nachdruck des Artikels aus der Februar-Ausgabe 2024 von SozialAktuell, dem
die ähnlich funktionieren wie eine Lotterie. Wie Studien schweizerischen Berufsverband für Sozialarbeit und mit freundicher
zeigen, besteht eine signifikante Korrelation zwischen Genehmigung der Autorin Camille Robert (Co-Geschäftsleiterin GREA
dem Kauf von Lootboxen und der Wahrscheinlichkeit, in «Groupement Romand d’études des addictions», www.grea.ch)
2
eine Glücksspielabhängigkeit zu geraten . Indem die An-
bieter auf die gleichen Mechanismen setzen wie bei den Informationen
Geldspielen, bringen sie ihre Kunden dazu, Geld auszuge-
ben. Es werden also die gleichen Belohnungsmechanis- Lootboxen: Wir reden Klartext!
Kurze Erklärung: «Was sind Lootboxen»
men angesprochen, die zu einer Abhängigkeit führen.
Schlimmer noch: Lootboxen sind (scheinbar) zufällig, d.h. www.youtube.com/...
es wird angenommen, dass ihr Inhalt zufällig ist; Studien Interview mit Niels Weber
legen jedoch auch nahe, dass dies nicht der Fall ist und die auf Hyperkonnektivität spezialisierter Psychologe
Anbieter in Wirklichkeit die Spielhistorie von Personen (französisch 44’35)
auswerten und durch Algorithmen ihre Gewinnwahr-
scheinlichkeit beeinflussen. Zusammengefasst bedeutet www.youtube.com/...
das also: Je eher ein Spieler dazu geneigt ist, Geld auszu- Interview mit Gabriel Thorens
geben, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er stv. leitender Arzt Hôpitaux Universitaires
seltene und wertvolle Gegenstände erhält . Genève (französisch 3’13)
3
www.youtube.com/...
Mikrotransaktionen und Verschuldung
In der Schweiz geben 80% der Jugendlichen zwischen 12 Fussnoten
und 19 Jahren an, zumindest manchmal zu gamen . Wäh- 1. SuperData (2021). 2020 Year in Review. Digital Games and Interactive Media.
4
rend die grosse Mehrheit der gamenden Jugendlichen (und 2. Spicer, S. T. et al (2022). «Loot boxes and problem gambling: Investigating the
Erwachsenen) dies ohne Probleme tun, können «gateway hypothesis›», Addict Behav (131).
Mikrotransaktionen für die Schwächsten mit einem finan- 3. King, D. L. et al (2019). «Unfair play? Video games as exploitative monetized
services: An examination of game patents from a consumer protection
ziellen Risiko verbunden sein. GREA und Sucht Schweiz perspective», Comput. Hum. Behav. (101), S. 131–143.
haben eine Studie zum Videospielverhalten in der 4. Külling, C. et al. (2022). James – Jugend, Aktivitäten und Medien – Erhebung
5
Schweiz realisiert und sind dabei auf grosse Unterscheide Schweiz Zürich: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
bei den Ausgaben der verschiedenen Spieler *innen gestos- 5. Notari L., Vorlet J., Kuendig H., (2023). Free-to-Play Videospiele: eine Mischung
sen: Während die durchschnittlichen Ausgaben für Free- aus Videospielen und Glücks- und Geldspielen. Lausanne: Sucht Schweiz &
to-Play-Videospiele bei CHF 175 pro Jahr liegen, geben GREA.
49