Page 47 - Spielinfo 1 2004
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leben eine gesunde und inklusive Kultur und entwickeln
Games, die nicht nur für den stereotypen – männlichen – «Cozy Games» vs. «Shooter-Games»
Gamer gedacht sind», sagt sie. Die Bryter-Studie liefert spannende Einblicke: In den Top-3-
Die grossen Game-Hersteller wurden immer wieder mit Games seien bei Frauen wie bei Männern Action-, Adventure- und
Forderungen konfrontiert, dass es Veränderungen braucht. Shooter-Games. Rumballern ist nicht einfach männlich. Daran ist
Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen, Veränderun- auch nichts verkehrt. Geschossen wird aber definitiv zu viel,
gen in der männlichen Führungskultur, Veränderungen bei speziell gegen Frauen. Insbesondere im kompetitiven Bereich,
der Ausrichtung der Spiele. also wenn es um E-Sports geht. Da hat Frau es besonders
Wenn sich problematische Strukturen über Jahrzehnte ein- schwer. Beim «Casual Gaming» mischen fast 50 Prozent Frauen
mit. Also beim spassigen Feierabend-Gamen auf der Konsole
genistet haben, ist es bekanntlich oft nicht einfach, diese oder dem Tablet, oder auch unterwegs auf dem Handy. Wenns
aufzubrechen. Die Game-Industrie hat noch Luft nach dann aber um Wettkämpfe im E-Sports-Bereich geht, dann sind
oben, um es zurückhaltend auszudrücken. «Vergleicht insgesamt nur ungefähr fünf Prozent Frauen am Start.
man Games mit anderen Medien wie Büchern, TV-Serien
oder Filmen, dann sehe ich bei Games bezüglich der The-
men und Settings immer noch riesiges Potenzial, neue heute bei MYI Entertainment, einer Agentur, die sich aufs
Dinge zu erkunden», sagt Tabea Iseli. Die Menschen spie- Gaming konzentriert.
len in der Regel gerne mit einem Charakter, der ihrem
Gender entspricht und die eigene Persönlichkeit repräsen- Momentan arbeitet sie eine Sensibilisierungskampagne
tiert. Die Welt besteht bekanntlich nicht aus dem musku- aus. Sie findet: «Es kann nicht sein, dass wir tausende
lösen Elite-Soldaten. Extra-Turniere für Frauen organisieren, nur weil immer
noch einige meinen, die Frauen gehören in die Küche».
Männer mögen weibliche Spielfiguren Es müsste sich auch bei den Männern etwas tun. Männli-
Bei Quantic Foundry, einem Marktforschungsunterneh- che Influencer sind gesucht, die den Mut haben, hinzuste-
men im Game-Bereich, hat man in einer Befragung her- hen und sich gegen Sexismus auszusprechen: «Wie lernen
ausgefunden, dass 29 Prozent der Männer auch eine weib- junge Männer etwas kennen? Durch ihre Freunde oder ihre
liche Figur vorziehen. Was dafür sprechen würde, mehr Vorbilder. Und bei der Generation Z und darunter sind das
weibliche Figuren zu designen (vielleicht nicht nur mit oft Influencer, häufig auch Gaming-Influencer», so Schaf-
grossen Brüsten und als Sanitäterin). Das gibt Hoffnung, fer.
bis man den Grund dafür erfragt.
Der durchschnittliche männliche Spieler schaut beim Ga- Das Gaming-Problem ist ein Online-Problem
men lieber einer Frau auf den Hintern als einem Mann. Zu- Die Game-Entwicklerin Tabea Iseli plädiert dafür, dass
dem kann es ein psychologischer Vorteil sein, mit einer sich Gamerinnen und Gamer im Online-Raum unterstüt-
weiblichen Figur zu spielen, weil diese eher in ihrer Stärke zen: «Wenn sich ein Opfer gegen Sexismus wehrt, dann
unterschätzt werden. macht das bei Tätern kaum Eindruck. Wenn sich aber die
anderen Mitspielenden gegen dieses Verhalten ausspre-
Schweigen ist nicht Gold chen, sieht die Dynamik oft ganz anders aus.»
Es kann zermürbend sein, wenn man beim Gamen immer Es gibt noch einiges zu tun. Der ausdrückliche Sexismus
und immer wieder sexistische Aussagen zu hören be- und die Anfeindungen sind leider auch ein Übel der On-
kommt. Aufhören, sich dagegen zu wehren, ist nicht die line-Welt und nicht einfach ein Gaming-Problem. Denn in
Lösung. Mit dem Gamen aufzuhören, auch nicht. Sich dieser Welt sind viele anonym, haben kein direktes Gegen-
nicht als Frau zu «outen» beim Online-Gaming ist im End- über – und verlieren dann den Filter.
effekt auch nicht dienlich. Schutzräume zu bieten, ist im- Der Sexismus beim Gaming sagt nichts darüber aus, wie
merhin ein Anfang. «gut» oder «böse» Videospiele sind. Sondern die Kom-
Theresa Schaffer nimmt sich dem Thema Sexismus in der mentare sagen aus, wie steinzeitlich, sexistisch und primi-
Gamingszene an. Früher Privat-Jet-Pilotin arbeitet sie tiv der Mensch ist.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors und der
Redaktoin SRF.


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