Page 47 - Spielinfo 2 2024
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S c h w e r p u n k t
Es ist des
nach der Erfüllung meiner Bedürfnisse grösser als meine fühl, das ich als Kind im freiwil-
Angst vor Fehlern. «Ich habe jetzt Durst und irgendwie ligen, sich selbst bezweckten Lernens
muss ich mich jetzt verständlich machen, um an Wasser zu Spiel hatte. Oder der von mir in
kommen. Ob das Wasser dann männlich oder weiblich ist, der Jugend geliebten Rollen- kein Ende.
wird mir dann schon noch jemand zu verstehen geben.» spiele auf der Konsole. Ich hatte
Und somit stieg auch die Lernkurve im aktiven Sprechen solche Freude damit, mir eine Robert Schumann
merklich. Jedes neu erlernte Wort wurde wie ein neues Spielfigur rauszusuchen, neue (1810-1856)
Werkzeug, das mir weiterhalf. Weiter half meine Bedürf- Welten zu entdecken, Erfahrun-
nisse auszudrücken und meine Umgebung mitzugestalten. gen zu sammeln und mit den erhaltenen Punkten, den Cha-
Eine Umgebung von sehr wohlwollenden Menschen. rakter und die Ausrüstung auszubauen. Und auch wenn ich
Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen aus Fehler mache, es schwierige Situationen gibt oder mir
den bereits beschriebenen, verschiedensten spanischspre- manchmal Hürden unüberwindbar scheinen, weiss ich in-
chenden Regionen. Ja, Spanisch ist eben nicht gleich Spa- nerlich, dass ich handeln kann und mich zu meiner Freude
nisch. Schwierig anfangs, wenn ich mich doch noch aus weiterentwickeln werde. Manchmal frage ich mich schon,
der Schule erinnerte, wie das doch genau wo das Spiel aufhören und der Ernst des
geht. Ja manchmal erwischte ich mich da- Lebens anfangen sollte. Besonders, wenn
bei, wie ich fast hässig wurde, wenn je- Im Spielen kann der Ernst so weit geht, dass er vor Angst
mand einem Wort in einem anderen Zu- lähmt. Vielleicht fängt er dort an, wo wir
sammenhang plötzlich eine andere Bedeu- man Neues aus- uns keine Fehler erlauben sollten? Ja, sol-
tung gab. Ja, ich glaubte manchmal wirk- probieren und che Situationen gibt es. Aber ich denke, es
lich, nur «Spanisch» zu verstehen. Im sind wesentlich weniger als wir manchmal
Nachhinein sehe ich, wie man es mir in der auch mal Fehler annehmen. Da fällt mir ein Satz des
Schule mit der Vokabel «todo recto» für Psychologen Markus Väth ein: Im Spielen
geradeaus leicht gemacht hat. Denn «de- machen, ohne kann man Neues ausprobieren und auch
recha» (rechts) und «derecho»(geradeaus) mal Fehler machen, ohne das Gesicht zu
sind schon leicht zu verwechseln. Beson- das Gesicht zu verlieren. Ja, seit meine Angst, mein Ge-
ders wenn man daran denkt, dass «de- sicht zu verlieren abgenommen hat, ist es
recha» wenn es als Adjektiv ein männli- verlieren. wesentlich einfacher, spielend leicht Spra-
ches Substantiv beschreibt zu «derecho» chen zu Lernen.
wird. Patata die Kartoffel in Spanien, Papa
in Südamerika, was wiederum der Papst in Spanien ist. Ihr
fragt mich doch gerade nicht im Ernst, ob ich Päpste schäle Britta Frei
und koche? Ja, manchmal führte es zu mühsamen Missver- Britta ist ein Tausendsassa. Für die
ständnissen und manchmal eben auch zu den lustigsten ursprünglich aus Österreich stam-
Unterhaltungen. All diese Emotionen in den unterschied- mende, heute im Bündnerland lebende
lichsten Situationen und Beziehungen haben mir die Lust und nun kandidierende Wahlschwei-
gebracht, Sprache zu lernen. Und so wurde aus dem ehe- zerin ist eines klar: «Ich liebe es, zu ler-
mals mühsamen Lernen von Sprachen, das davon gesteu- nen und ich liebe Herausforderungen,
ert wurde, jemandem zu gefallen oder trotzig nicht gefal- die Veränderungen mit sich bringen.»
len zu wollen, ein Lernen aus innerem Antrieb. Ein Lernen So wichtig für sie die Diversität ist, so
aus Neugierde ohne Angst, Fehler zu machen. Ich begriff, vielfältig gestaltet sich ihr bisheriger
Fehler als Chance zur Entwicklung zu sehen. Wie in einem Lebensweg. Sie hat in unterschiedlich-
Spiel beging ich Fehler, erfasste die Situation, zog meine sten Bereichen an verschiedenen Orten gelernt und gearbeitet. Im
Schlüsse daraus oder traf neue Entscheidungen. Mit dieser Sozial- und Gesundheitsbereich, sowohl organisatorisch als auch
aus Erfahrungen gewonnenen inneren Einstellung, begann pädagogisch. In der Naturwissenschaft, vor allem mit Käfern und
der Spass am Lernen von Sprachen. Hat mich vorher die anderen Krabbeltieren. «An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft,
Vielfalt der Sprachen, sowie jede einzelne Sprache vor- Landwirtschaft und Politik wollte ich zu einem nachhaltigeren
Umgang mit dieser Erde beitragen. Allerdings wurde es mir, vom
wiegend überfordert und genervt, so konnte ich nun durch- Schreibtisch aus, bald zu mühsam und kopflastig.» Nach einer Auszeit
aus auch meine Freude an der als mobile Handwerkerin mit ihrem Mann und dem selbst
Manchmal Vielfalt finden. So ähnlich wie umgebauten VW-Bus entschied sie sich, selbst aufs Feld zu gehen: sie
mich als Biologin die un-
frage ich mich glaubliche Vielfalt an Lebe- absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre im Gemüsebau. «Ja, ich
wollte einmal die Welt verändern! Inzwischen sehe ich das wesentlich
schon wo das wesen und deren Strategien gelassener.» Nun arbeitet sie den Grossteil der Woche als
fasziniert. So spannend, all
Gemüsegärtnerin und die restliche Zeit nutzt sie, sich mit anderen
Spiel aufhören dies zu entdecken. Ich bin auszutauschen und zu vernetzen. Im Sinne schöner Landschaften,
Portrait
neugierig, nicht nur auf die
einem angenehmen Miteinander und genussvollen Essens! Und Britta
und der Ernst Sprachen, sondern auch auf spielt seit kurzem als Aktivmitglied beim Schweizerischen
dessen Sprecher, deren Län-
Dachverband für Spiel und Kommunikation (SDSK) mit. «Mein Weg
des Lebens der, Tätigkeiten und all die wurde und wird immer wieder vom Spiel begleitet. Mal mehr mal
Herausforderungen, die sie
weniger. Besonders, wenn das Spiel nach mühsamen, ernsteren
anfangen mit sich bringen. Irgendwie Zeiten wieder in den Vordergrund rückt, wird mir erst bewusst, wie
sehr es mir gefehlt hat!».
erinnert mich das an das Ge-
sollte?
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Es ist des
nach der Erfüllung meiner Bedürfnisse grösser als meine fühl, das ich als Kind im freiwil-
Angst vor Fehlern. «Ich habe jetzt Durst und irgendwie ligen, sich selbst bezweckten Lernens
muss ich mich jetzt verständlich machen, um an Wasser zu Spiel hatte. Oder der von mir in
kommen. Ob das Wasser dann männlich oder weiblich ist, der Jugend geliebten Rollen- kein Ende.
wird mir dann schon noch jemand zu verstehen geben.» spiele auf der Konsole. Ich hatte
Und somit stieg auch die Lernkurve im aktiven Sprechen solche Freude damit, mir eine Robert Schumann
merklich. Jedes neu erlernte Wort wurde wie ein neues Spielfigur rauszusuchen, neue (1810-1856)
Werkzeug, das mir weiterhalf. Weiter half meine Bedürf- Welten zu entdecken, Erfahrun-
nisse auszudrücken und meine Umgebung mitzugestalten. gen zu sammeln und mit den erhaltenen Punkten, den Cha-
Eine Umgebung von sehr wohlwollenden Menschen. rakter und die Ausrüstung auszubauen. Und auch wenn ich
Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen aus Fehler mache, es schwierige Situationen gibt oder mir
den bereits beschriebenen, verschiedensten spanischspre- manchmal Hürden unüberwindbar scheinen, weiss ich in-
chenden Regionen. Ja, Spanisch ist eben nicht gleich Spa- nerlich, dass ich handeln kann und mich zu meiner Freude
nisch. Schwierig anfangs, wenn ich mich doch noch aus weiterentwickeln werde. Manchmal frage ich mich schon,
der Schule erinnerte, wie das doch genau wo das Spiel aufhören und der Ernst des
geht. Ja manchmal erwischte ich mich da- Lebens anfangen sollte. Besonders, wenn
bei, wie ich fast hässig wurde, wenn je- Im Spielen kann der Ernst so weit geht, dass er vor Angst
mand einem Wort in einem anderen Zu- lähmt. Vielleicht fängt er dort an, wo wir
sammenhang plötzlich eine andere Bedeu- man Neues aus- uns keine Fehler erlauben sollten? Ja, sol-
tung gab. Ja, ich glaubte manchmal wirk- probieren und che Situationen gibt es. Aber ich denke, es
lich, nur «Spanisch» zu verstehen. Im sind wesentlich weniger als wir manchmal
Nachhinein sehe ich, wie man es mir in der auch mal Fehler annehmen. Da fällt mir ein Satz des
Schule mit der Vokabel «todo recto» für Psychologen Markus Väth ein: Im Spielen
geradeaus leicht gemacht hat. Denn «de- machen, ohne kann man Neues ausprobieren und auch
recha» (rechts) und «derecho»(geradeaus) mal Fehler machen, ohne das Gesicht zu
sind schon leicht zu verwechseln. Beson- das Gesicht zu verlieren. Ja, seit meine Angst, mein Ge-
ders wenn man daran denkt, dass «de- sicht zu verlieren abgenommen hat, ist es
recha» wenn es als Adjektiv ein männli- verlieren. wesentlich einfacher, spielend leicht Spra-
ches Substantiv beschreibt zu «derecho» chen zu Lernen.
wird. Patata die Kartoffel in Spanien, Papa
in Südamerika, was wiederum der Papst in Spanien ist. Ihr
fragt mich doch gerade nicht im Ernst, ob ich Päpste schäle Britta Frei
und koche? Ja, manchmal führte es zu mühsamen Missver- Britta ist ein Tausendsassa. Für die
ständnissen und manchmal eben auch zu den lustigsten ursprünglich aus Österreich stam-
Unterhaltungen. All diese Emotionen in den unterschied- mende, heute im Bündnerland lebende
lichsten Situationen und Beziehungen haben mir die Lust und nun kandidierende Wahlschwei-
gebracht, Sprache zu lernen. Und so wurde aus dem ehe- zerin ist eines klar: «Ich liebe es, zu ler-
mals mühsamen Lernen von Sprachen, das davon gesteu- nen und ich liebe Herausforderungen,
ert wurde, jemandem zu gefallen oder trotzig nicht gefal- die Veränderungen mit sich bringen.»
len zu wollen, ein Lernen aus innerem Antrieb. Ein Lernen So wichtig für sie die Diversität ist, so
aus Neugierde ohne Angst, Fehler zu machen. Ich begriff, vielfältig gestaltet sich ihr bisheriger
Fehler als Chance zur Entwicklung zu sehen. Wie in einem Lebensweg. Sie hat in unterschiedlich-
Spiel beging ich Fehler, erfasste die Situation, zog meine sten Bereichen an verschiedenen Orten gelernt und gearbeitet. Im
Schlüsse daraus oder traf neue Entscheidungen. Mit dieser Sozial- und Gesundheitsbereich, sowohl organisatorisch als auch
aus Erfahrungen gewonnenen inneren Einstellung, begann pädagogisch. In der Naturwissenschaft, vor allem mit Käfern und
der Spass am Lernen von Sprachen. Hat mich vorher die anderen Krabbeltieren. «An der Schnittstelle zwischen Wissenschaft,
Vielfalt der Sprachen, sowie jede einzelne Sprache vor- Landwirtschaft und Politik wollte ich zu einem nachhaltigeren
Umgang mit dieser Erde beitragen. Allerdings wurde es mir, vom
wiegend überfordert und genervt, so konnte ich nun durch- Schreibtisch aus, bald zu mühsam und kopflastig.» Nach einer Auszeit
aus auch meine Freude an der als mobile Handwerkerin mit ihrem Mann und dem selbst
Manchmal Vielfalt finden. So ähnlich wie umgebauten VW-Bus entschied sie sich, selbst aufs Feld zu gehen: sie
mich als Biologin die un-
frage ich mich glaubliche Vielfalt an Lebe- absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre im Gemüsebau. «Ja, ich
wollte einmal die Welt verändern! Inzwischen sehe ich das wesentlich
schon wo das wesen und deren Strategien gelassener.» Nun arbeitet sie den Grossteil der Woche als
fasziniert. So spannend, all
Gemüsegärtnerin und die restliche Zeit nutzt sie, sich mit anderen
Spiel aufhören dies zu entdecken. Ich bin auszutauschen und zu vernetzen. Im Sinne schöner Landschaften,
Portrait
neugierig, nicht nur auf die
einem angenehmen Miteinander und genussvollen Essens! Und Britta
und der Ernst Sprachen, sondern auch auf spielt seit kurzem als Aktivmitglied beim Schweizerischen
dessen Sprecher, deren Län-
Dachverband für Spiel und Kommunikation (SDSK) mit. «Mein Weg
des Lebens der, Tätigkeiten und all die wurde und wird immer wieder vom Spiel begleitet. Mal mehr mal
Herausforderungen, die sie
weniger. Besonders, wenn das Spiel nach mühsamen, ernsteren
anfangen mit sich bringen. Irgendwie Zeiten wieder in den Vordergrund rückt, wird mir erst bewusst, wie
sehr es mir gefehlt hat!».
erinnert mich das an das Ge-
sollte?
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