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Hintergrund
schenkten wir der Stra- (Anfänger) würde erwarten, dass das nächste
tegiefrage keine Mal Stein gespielt würde.
grosse Aufmerk- So ging Ishibashi mit dieser Strategie ins Mee-
samkeit bzw. wir ting, während der Vertreter von Sothey’s ohne
hatten keine«. ins Rennen ging.
Die Vertreter der Auktionshäuser sassen sich am
Im Gegensatz dazu be- Konferenztisch gegenüber, flankiert von den
gann Kaneo Ishibashi, der Buchhaltern der verkaufenden Firma Maspro.
Präsident von Christie’s in Ja- Um Missverständissen vorzubeugen, einigten
pan, im Internet zu recherchieren, ob es nicht sich die Par-
doch eine Strategie gäbe. Zu seiner Überra- teien darauf,
schung fand er eine riesige Anzahl von Artikeln, ihre Wahl
die sich genau mit dieser Frage auseinander setz- auf einem
ten. Doch was Ishibashi endgültig davon über- Stück Pa-
zeugte, dass es eben doch eine Strategie geben pier zu no-
könnte, war eine Aussage von Nicholas tieren und
Maclean, Christie’s Direktor für impressionisti- dieses zu falten. Ein Maspro-Vertreter öffnete
sche Malerei und Modern Art. Er erzählte die Papiere. Ishibashi hatte Schere gewählt, der
Ishibashi von seinen Zwillingstöchtern, Alice Vertreter von Sotheby’s Papier: Schere schnei-
und Flore, die das Spiel fast täglich spielen wür- det Papier und demzufolge war Christie’s der
den. Alice’s Rat war: »Alle wissen doch, dass Gewinner.
die meisten mit Schere beginnen«. Fora unter- Anfang Mai 2015 wurden die vier Bilder für
stützte dieses Argument: »Ja – Stein ist doch viel 17.8 Millionen Dollars durch Christie’s verstei-
zu durchschaubar«. gert – ein satter Gewinn von 1.9 Millionen US-
Beide Mädchen waren sich auch einig, dass im Dollars für das Auktionshaus.
Falle eines Schere-Schere-Unentschiedens, die
nächste Wahl wieder Schere sein sollte – jeder
Schere-Stein-Papier: ein taktisches Spiel und auszunutzen. Die ist alles andere als trivial.
Die »World RPS Society« (RPS steht für Rock-
Während meiner Ausbildungszeit am Paper-Scissors, der Verband wurde im Jahr 1918
College wusste ich von einen Mann, gegründet) veranstaltet regelmässig Wettbe-
der eine Studie über Schere-Stein-Pa- werbe. Obwohl von der Presse als etwas »exoti-
pier gemacht hatte. Er versicherte mir, dass das sche Aktivität« eingestuft (O-Ton: »News of he
Spiel nicht so trivial sei, wie es schien. Als Be- weird«), ist das mediale Interesse und die ent-
weis lehrte er mich einen eher teuflischen Trick, sprechend zahlreiche Leserschaft erstaunlich
die Schere-Stein-Papier-Wette in der Regel zu gross.
gewinnen. Gute SSP-Spieler versuchen, unbe-
wusste Muster ihrer Gegenspieler zu erkennen
Spielinfo 1 / 2015 | 48