Page 50 - Magazin Schweizerischer Dachverband für Spiel und Kommunikation
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Schwerpunkt
Computerspiele: schädlich oder wertvoll? Pro und Contra der Experten
Ihr Ruf ist zwiespältig: Computerspiele kreative Beschäftigung. Sind Computer-
werden von ihren Kritikern mit sinken- spiele schädlich oder wertvoll? Manfred
den Schulleistungen, erhöhter Gewalt- Spitzer, Hirnforscher, und Daniel Süss,
bereitschaft und asozialem Verhalten in Professor für Medienpsychologie sind un-
Verbindung gebracht. Gemässigtere Stim- terschiedlicher Ansicht: Ihre Argumente
men sehen im Gamen durchaus auch eine zum Thema.
Die Experten und ihre (unterschiedlichen) Meinungen
Manfred Spitzer (54), Hirnforscher und Leiter der Manfred Spitzer (Bild links) ist einer der Daniel Süss (50), Professor für Medienpsycholo-
Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm (D). prominentesten Kritiker der digitalen Welt. gie an der Zürcher Hochschule für Angewandte
Computerspiele seien für viele negative Wissenschaft ZHAW und Professor für Publizistik-
Foto: zVg. Entwicklungen bei gamenden Jugendli-
chen verantwortlich, schreibt er in seinem wissenschaft an der Uni Zürich. Foto: zVg.
Buch «Digitale Demenz». Daniel Süss
(Bild rechts), Professor für Medienpsycho-
logie an der Zürcher Hochschule für Ange-
wandte Wissenschaft ZHAW und Profes-
sor für Publizistikwissenschaft an der Uni
Zürich. Er teilt Spitzers Argumente weitge-
hend nicht.
THESE 1 VON MANFRED SPITZER: Videospiele bewirken zuneh- Gleichaltrigen und Freunden negativ. Der Gebrauch der Spiel-
mende Gewaltbereitschaft und Abstumpfung gegenüber realer konsole hat eine geringere Elternbindung zur Folge.
Gewalt
Kommentar Daniel Süss: Kinder und Jugendli-
Kommentar Daniel Süss: Stark gewalthaltige che, die Games spielen, vereinsamen in der Re-
Spiele können Gewaltfantasien verstärken und gel nicht. Die Games Communities sind Ge-
das Mitgefühl mit Gewaltopfern reduzieren, meinschaften wie Sportmannschaften oder Mu-
wenn junge Spieler sie exzessiv und ausschliess- sikvereine. Aber zentral ist, dass Kinder und Ju-
lich spielen. Allerdings erleben die meisten Spie- gendliche in mehreren Gemeinschaften Kontakte
ler solche Games primär als Wettkampf, wo das pflegen und sich nicht nur noch in den Game-
Erfüllen von Aufgaben und das Zusammenspie- Clans bewegen. Es ist eine Erziehungsaufgabe
len im Team im Vordergrund stehen. Die meis- der Eltern, dies im Auge zu behalten und bei so-
ten Jugendlichen spielen unterschiedliche Typen zialem Rückzug rasch zu reagieren.
von Games, sodass nicht bloss Gewaltszenarien
im Zentrum stehen. Studien zeigen, dass man ge- THESE 3 VON MANFRED SPITZER: Videospiele reduzieren die
genüber Mediengewalt abstumpfen kann, wenn Chance auf Bildung. Kinder, die Videospiele spielen, verbringen
man sehr oft Mediengewalt konsumiert. Reale im Vergleich zu Kindern, die dies nicht tun, viel weniger Zeit
Gewalt, die man hautnah erlebt, ist etwas völlig mit Lesen und Hausaufgaben.
anderes. Da fühlt man sich echt bedroht oder her-
ausgefordert, was im Spiel nicht gleich erlebt Kommentar Daniel Süss: Wenn das Gamen so
wird. viel Zeit in Anspruch nimmt, dass Schularbeiten
vernachlässigt werden, dann schadet das natür-
THESE 2 VON MANFRED SPITZER: Videospiele haben soziale lich den Leistungen. Ist ein Kind in der Schule
Vereinsamung zur Folge, sie beeinträchtigen die Beziehung zu nicht erfolgreich und flüchtet deshalb in die
Spielinfo 1 / 2016 | 50