Page 20 - Spielinfo 2 2024
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K o l u m n e


Kolumne


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Patrick Jerg
Primarlehrer
Blogger
Vater
Kolumnist





Sprachneutrale Spielerei
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Herbstzeit ist Messezeit. In Essen findet die SPIEL 24
statt, die grösste Spielmesse der Welt, an der die Verlage
über 1500 Neuheiten vorstellen. Erstmals war die Messe
ausverkauft. Wer spontan ein Ticket wollte, traf auf ge-
schlossene Kassen. Schon in der U-Bahn begegneten ei-
nem Leute mit einem Kartonschild: «Ticket gesucht!» Das
Publikum der Messe ist international. Aus über 80 Ländern
reisen die Besucherinnen und Besucher nach Essen und
beleben den Ruhrpott. Die Atmosphäre ist friedlich, die
Wege auf der Messe sind lang, das Ablenkungspotenzial
gross. Und so stelle ich mich auf ein grosses Sprachenwirr-
warr ein. Meine Termine sind bunt zusammengestellt. Ich
freue mich, meine Fremdsprachen in manchen Gesprächen
ein wenig aufzufrischen.
Der Abend vor der Messe hat mit einem Zufallstreffen be-
gonnen. Im Restaurant traf ich auf die Mitarbeitenden ei- Foto: Patrick Jerg
nes Schweizer Verlags – mit einem Austausch auf «Schwi-
zerdütsch». Da gibt es beim Messestart sicher eine grös- an diesem Spieltisch. Aber es kommt noch besser. Der
sere Sprachenvielfalt. Gleich nach dem Eingang der Messe neue Pressevertreter eines Schweizer Verlags überbringt
empfängt uns jemand und drückt uns einen Würfel in die mir zuerst Grüsse seiner Schwiegermutter. Ich beginne
Hand, passend zu einem neuen Spiel, das… aus der schon tief in meiner Vergangenheit zu kramen, bevor er
Schweiz kommt. Der Weg an die Messe beginnt also mit auflöst, dass sie aus demselben Dorf kommt wie ich und
einem Gespräch auf «Schwizerdütsch». Nach einem Ter- lange mit mir zusammengearbeitet hat. Warum mache ich
min bei einem deutschen Verlag, gibt es einen spontanen eigentlich die Reise in den Ruhrpott? Schon beim Früh-
Termin. Jemand hat mitbekommen, dass ich mich auf der stück wurde am Nebentisch auf «Schwizerdütsch» über
Messe bewege, also schnell einen kurzen Austausch ge- die Neuheiten diskutiert, in der überfüllten U-Bahn stand
plant… natürlich auf «Schwizerdütsch». Da kommt mir ich neben einer Spielgruppe aus Bern, vor einem Nachmit-
der nächste Termin mit dem Schweizer Verlag Helvetiq tagstermin traf ich einen Schweizer Blogleser der ersten
genau richtig, denn die meisten Mitarbeiterinnen sprechen Stunde für einen kleinen Austausch. Und beim Abendes-
Französisch… und geben sich nun alle Mühe, mir die sen spielte ich die ersten neuen Spiele mit der Spieltest-
Spiele auf «Schwizerdütsch» zu erklären. Na gut, mein gruppe der Schweizer Ludotheken und einem Schweizer
Französisch wäre sowieso ein wenig eingerostet gewesen, Spieleladenbesitzer. Die Internationalität der Messe ist ir-
aber ich erhalte auch keine Chance auf eine Verbesserung. gendwie an mir vorbeigerauscht dieses Jahr.
Bei einem kurzen Probespiel sprechen wir Deutsch, weil Beim Abendessen unterhalten wir uns über empfehlens-
zwei fremde Personen mitspielen, nur um ganz am Ende werte Neuheiten, die wir entdeckt haben. Da gibt es ein
der Partie festzustellen, dass alle Beteiligten aus der Spiel, das letztes Jahr schnell ausverkauft war und nun bei
Schweiz kommen. Die Welt ist klein und trifft sich genau einem deutschen Verlag erhältlich ist. Leider sind die Ta-

Aus über 80 Ländern reisen die geskontingente für den Verkauf begrenzt, das kleine Kar-

tenspiel ist an jedem Messetag schnell ausverkauft. Ein
Besucherinnen und Besucher nach Spielerklärer an der Messe hat mir, natürlich auf «Schwi-
zerdütsch», erklärt, dass er das Spiel beim ausländischen
Essen. Die Internationalität der Verlag besorgt hat. Das spiele nämlich keine Rolle, das
Kartenspiel sei sprachneutral. Auch das noch, denke ich
Messe ist irgendwie an mir mir. Bei meinem Glück sind die Begriffe auf den Karten
ganz bestimmt auf «Schwizerdütsch» angeschrieben. 
vorbeigerauscht!
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